Die Schreibbank

Diana Naumann

Lothar grübelte vor sich hin und starrte auf die weiße Seite des Schreibprogramms. „Nur einen kurzen Text für unsere Anthologie, höchstens zwei oder drei Seiten“, hatte sein Lektor gebettelt. Kurz, schön und gut, aber warum bitteschön so schnell? Hätte er sich nicht früher melden können? Letzte Woche Mittwoch zum Beispiel, da hatte die Sonne geschienen. Kein Problem, ein bis zwei Stunden auf seiner Gartenbank und schon wäre der Auftrag erledigt gewesen. Zudem hätte er auch etwas getaugt. Aber heute? Und dann auch noch über Glücksgefühle, ein dümmeres Thema ist denen wohl nicht eingefallen. Lothar seufzte, stand auf und ging zum Fenster. Einen Moment sah er den dicken Regentropfen zu. Es half nichts, das Wetter würde heute nicht mehr besser werden, und heute Abend musste der Text im Verlag sein.

Er zog seine Regenjacke an, packte den Laptop in eine Plastiktüte, nahm den großen Schirm mit dem langen Griff und ging zur Hintertür hinaus in den Garten. Mit einem Handtuch wischte er die Sitzfläche der Gartenbank und den kleinen Tisch trocken. Hier hatte er immer die besten Ideen. Er klappte den Laptop auf und klemmte sich den Schirm zwischen Hals und Schulter ein. Doch bevor er lostippen konnte, riss ihm eine Windböe den Regenschutz aus der Hand und peitschte ihm die Nässe ins Gesicht. Er bugsierte den Schirm so, dass wenigstens der Laptop im Trockenen war und tippte drauf los.

Eine Idee hatte sich in seine trüben Gedanken geschlichen, das musste er ausnutzen. Der Regen tropfte ihm in den Kragen, doch er schrieb weiter, der kühle Wind ließ ihn erschauern, doch er schrieb weiter. Schickte seine Heldin durch ein Gewitter, ließ ihr einen heftigen Sturm entgegen wehen, sich durch unebenes Gelände kämpfen, er ließ sie stürzen und sich wieder aufrappeln und hatte noch keine Ahnung wie genau er das Thema unterbringen sollte.

Dann hörte er eine Amsel auf dem Ast über sich zwitschern, hob kurz den Blick und entdeckte über seinem Haus einen Regenbogen.

Bei genauem Hinsehen waren es sogar zwei. Seine Frau stand mit zwei Tassen Kaffee in der Eingangstür. „Zeit für eine Pause?“, fragte sie.

Ein Lächeln zog über sein Gesicht. Schnell tippte er die letzten Zeilen. ‚Durchnässt und leicht lädiert, aber überglücklich schloss Emilia die Arme um ihren Schatz, den sie am Fuße des Regenbogens gefunden hatte und gab ihm einen langen Kuss.‘

Lothar speicherte, zog seine Frau neben sich auf die Bank und drückte sie zärtlich an sich. „Nein, fertig.“