Ein Schweineleben
Unsere Reporterin Ricarda Ratbush traf sich in Westfeld mit Danny, dem angesagtesten Meerschweinchen des Altkreises Alfeld.
Ricarda | Danny, Sie haben es geschafft, Sie führen ein Leben in Luxus und Sicherheit, Sie sind ein begehrter Liebhaber und haben zahlreiche Auszeichnungen gewonnen, aber das war nicht immer so?
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Danny | Stimmt. Wie Sie ja wissen stamme ich aus einer unbekannten Familie. Ich habe meine Eltern zwar noch persönlich kennen gelernt. Aber sie lebten nicht bei einem Züchter.
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Ricarda | Wie grauenvoll. Sie haben also keinen Stammbaum, wissen nichts über Ihre Vorfahren?
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Danny: | Nein. Mein Vater und meine Mutter gehörten einem elfjährigen Mädchen. Sie hielt die beiden in einem ausrangierten Vogelkäfig. Der war natürlich viel zu klein, und so kam es fast zwangsläufig dazu, dass sich meine Eltern näher kamen. Meine Mutter hatte übrigens besonders ausgeprägte Rosetten. |
Ricarda | Demnach sind Sie bei Ihren Eltern aufgewachsen? |
Danny: | Nein, wo denken Sie hin? Meine Geschwister – wir waren zu viert – wurden gleich ermordet und mich hatte man als Geburtstagsgeschenk für einen Cousin auserkoren. |
Ricarda | Geschenke sind doch etwas Schönes. |
Danny: | Sie haben ja keine Ahnung. Mein Besitzer war zehn, als er mich zum Geburtstag bekam, und er interessierte sich nur dann für mich, wenn er einen Fahrer für sein Rennauto oder einen Außerirdischen für sein Ufo brauchte. |
Ricarda | Er hat nicht gut für Sie gesorgt? |
Danny: | Zu essen hatte ich immer genug, mehr als genug, möchte ich beinahe sagen. Aber mein Fell, ich sagen Ihnen, völlig verfilzt. Und meine Krallen erst. Er hat wahrscheinlich noch nicht einmal gewusst, dass er sie schneiden sollte. Jedenfalls bekam ich nach einigen Monaten ziemliche Schmerzen beim Gehen. |
Ricarda | Aber er hat nichts davon bemerkt? |
Danny: | Er hat sich nur darüber amüsiert, dass ich im Garten nicht schnell genug vor ihm weglaufen konnte, wenn er mit seinem ferngesteuerten Auto hinter mir her war. |
Ricarda | Wie grässlich. Wie sind Sie ihm entkommen? |
Danny: | Das war gar nicht so einfach. Einmal habe ich versucht, aus dem Garten wegzulaufen. Aber ich bin nur wenige hundert Meter weit gekommen, dann traf ich sie. |
Ricarda | Wen? |
Danny: | Nun, Sie wissen schon, eine von denen. |
Ricarda | Eine … eine Katze? |
Danny: | Exakt. Sehen Sie den Riss in meinem Ohr? Nun, der stamm von dieser Begegnung. Ich kann wirklich von Glück reden, dass die Mutter meines Besitzers mich vor dem Biest gerettet hat. So war ich mit ein paar blutigen Kratzern davongekommen. |
Ricarda | Hat sich danach das Blatt für Sie gewendet? |
Danny: | Nicht gleich, aber bald danach. Zuerst musste ich noch umziehen, auf den Flur. Mein Besitzer hatte keine große Lust, meinen Käfig sauberzumachen. Frisches Heu und Wasser bekam ich ziemlich regelmäßig, aber die Streu, die stank nach einer Woche wirklich erbärmlich. |
Ricarda | Sind Sie denn unter diesen Bedingungen nicht krank geworden? |
Danny: | Doch, ich hatte quasi einen Dauerschnupfen, und von Zeit zu Zeit waren meine Augen verklebt. |
Ricarda | Da waren Sie wirklich ganz unten. |
Danny: | Ja, aber von dem Tag an ging´s bergauf. Mein Besitzer brachte einen neuen Freund mit, Uwe hieß der. |
Ricarda | Der besaß auch ein Meerschweinchen. |
Danny: | Noch besser, er besaß ein Meerschweinchenfräulein, aber davon später. Das eigentliche Glück bestand nämlich darin, dass die Eltern dieses Jungen wirklich etwas von Meerschweinchen verstanden. Kaum hatte Uwe mich in meinem stinkenden Käfig entdeckt, holte er mich auch schon heraus. Als erstes borgte er sich eine Nagelschere und beschnitt meine Krallen. Dann kam er auf die wahnsinnige Idee, mich in eine Schale mit warmen Wasser zu setzen. Zuerst dachte ich, jetzt ist alles aus, aber dann spürte ich, die Wärme … |
Ricarda | Wir Ratten lieben das Wasser auch nicht gerade. |
Danny: | Jedenfalls lösten sich alle Verkrustungen aus meinem Fell und ich fühlte mich so lebendig wie schon lange nicht mehr. Aber dann kam´s. |
Ricarda | Das Wasser wurde kalt? |
Danny: | Nein, er schaltete den Föhn an, ganz nah an meinem Kopf. Ich erschrak mich so sehr, dass ich versuchte, aus der Hand des Jungen zu entkommen. Zum Glück bin auf dem Sofa gelandet und nicht bis hinunter auf den Boden gefallen. |
Ricarda | Meerschweinchen haben sehr empfindliche Knochen, ich weiß. Wir Ratten können dagegen ausgezeichnet klettern und springen. Deshalb konnte er Sie auch gleich wieder einfangen, oder? |
Danny: | Natürlich, ich war ja wie benommen. Es dauerte mehrere Minuten, bis ich aufhören konnte zu zittern. Doch die warme Luft hat mir und meinem Fell gut getan. Ich fühlte mich wohlig und leicht. |
Ricarda | Hat Ihr Besitzer sich von dem Tag an besser um Sie gekümmert? |
Danny: | Eigentlich nicht, seine Mutter hat meinen Käfig regelmäßig sauber gemacht, und sie haben mich öfter draußen herumlaufen lassen. Insgesamt um Klassen besser, aber noch nicht optimal, denn, ich äh war einsam, wie Sie sicher verstehen können. Ab einem bestimmten Alter regt sich bei einem Mann, Sie verstehen schon, das Verlangen nach, nach einer Partnerin, nach Kindern. |
Ricarda | Ich verstehe, und hier kommt jetzt das Meerschweinchenfräulein ins Spiel, von dem Sie vorhin schon sprachen? |
Danny: | Im Prinzip ja. Meine Besitzerfamilie wollte verreisen. Zwei Wochen türkische Riviera. Und da war ich natürlich über. Jedenfalls hat man mich zu Uwes Familie in Pension gegeben. Tja, von da haben Sie mich nie wieder abgeholt. |
Ricarda | Für Sie eigentlich ein Glücksfall, oder? |
Danny: | Unbestreitbar. Uwes Vater züchtet, wie Sie ja selbst wissen, leidenschaftlich Kleinnager. Chinchillas, Meerschweinchen, Farbratten, Hamster. Ich glaube bald, er wäre am liebsten selbst ein Nagetier. |
Ricarda | Er hat sie zur Zucht eingesetzt? |
Danny: | Richtig, obwohl ich keinen Stammbaum habe und nicht mehr der jüngste war, hat er mich, wohl wegen meines auffallenden Fells, zur Zucht eingesetzt. Molly und ich haben schon 48 Kinder bekommen. In zwei oder drei Tagen ist es wieder so weit. Aber dieses Mal werde ich nicht dabei sein. |
Ricarda | Oh weh, sind Sie verkauft worden? |
Danny: | Keine Panik, nein, ich fahre zu einer Ausstellung nach Alfeld, in ein Autohaus soll´s gehen, hab ich gehört. Ist ja auch egal, wo die Ausstellung stattfindet, den ersten Platz belege sowieso ich. |
Ricarda | Nun, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg, allerdings habe ich von einem Meerschweinchen aus Duingen gehört, das |
Danny: | Alles bloß Gerede, da ist nix dran, Süße. Ich bin Danny aus Westfeld, der Danny, der sogar schon nach München und Heidelberg ausgeliehen wurde, weil die Puppen so scharf auf ihn sind, und daran wird sich auch in Zukunft nix ändern. |
Ricarda | Ich verstehe, äh tja, vielen Dank für das Interview, Danny. |